An dieser Stelle gibt es jetzt ein weiteres Problem: die bekanntlich spitzfindige aber grundlegende Unterscheidung zwischen Ausgabe und Auszahlung… Schon früher haben wir uns in dem Zusammenhang darüber ausgelassen, warum das Bankkonto nicht immer ein Aktivkonto ist. Dies ist theoretisch vielleicht kein Problem, denn es leitet sich aus den Buchungsregeln ab; didaktisch ist es hingegen hochbedeutsam, denn die meisten Leerbrücher ignorieren diesen Sachverhalt, so daß Lehrgangsteilnehmer in Prüfungen mit passivischen Bankkonton regelmäßig scheitern.
Eine Auszahlung liegt bekanntlich vor, wenn liquide Mittel als Bar- oder Buchgeld abfließen – was der Geldmenge M1 entspricht. Eine Ausgabe hingegen liegt vor, wenn die Verbindlichkeiten zunehmen – und zwar auch schon ohne gleichzeitigen Abfluß liquider Mittel (kalkulatorische Ausgabe), aber auch gleichzeitig damit (Auszahlungsausgabe). Die Ausgabendefinition unterscheidet sich also erheblich von der Auszahlungsdefinition, und das aus gutem Grund: Ausgaben sind nämlich die Verpflichtungsereignisse (obligating events) im Sinne des F.49b des Framework des IFRS, d.h. weisen auf künftig notwendige Auszahlungen hin. Dies aber ist für die Kapitalbedarfsrechnung ebenso relevant wie für die pagatorische Budgetierung, denn in beiden Fällen ist es bedeutsam, heute schon zu wissen, was wir bezahlen müssen. Machen Grundlagenwerke wie Wöhe „Allgemeine Betriebswirtschaftslehre“ diese feinsinnige Differenzierung noch nicht, so hat diese sich doch inzwischen bis zu den Aufgabenlyrikern herumgesprochen.
Betrachten wir ein Beispiel: ein Unternehmer leiste eine Teilzahlung an einen Maschinenhändler. Auf dem Verbindlichkeitenkonto liege der Schuldbetrag diesem Lieferanten gegenüber natürlich schon vor. Er wird durch Überweisung vom Bankkonto um ein Drittel gemindert. Welcher Fall liegt hier vor, eine Auszahlung, eine Ausgabe oder beides zugleich?
Soll | Bank | Haben | ||||
Anfangsbestand | 8.000,00 € | Kasse | 2.000,00 € | |||
Forderg. L&L | 4.000,00 € | Verbindl. L&L | 5.000,00 € |
Soll | Verbindlichkeiten L&L | Haben | ||||
Bank | 5.000 | Maschinen | 15.000,00 € |
Um das zu entscheiden, muß man zunächst das Bankkonto begutachten. Es weist einen Anfangssaldo i.H.v. 8.000 Euro aus. Hinzu kommen noch 4.000 Euro Forderungseingang. Weder durch die Kassenendnahme noch durch die Zahlung an den Maschinenhändler entsteht ein Minussaldo in der Bank. Das Bankkonto ist also die ganze Zeit ein Aktivkonto, also ein Vermögensgegenstand. Die Auszahlung an den Maschinenlieferer ist also nur eine Auszahlung, weil liquide Mittel in Gestalt von Buchgeld abfließen, aber eben nicht mehr. Man spricht in solchen Fällen übrigens auch von einer neutralen Auszahlung. Ändern wir aber nur eine einzige Zahl, so ändert sich die Bewertung grundlegend:
Soll | Bank | Haben | ||||
Anfangsbestand | 1.000,00 € | Kasse | 2.000,00 € | |||
Forderg. L&L | 4.000,00 € | Verbindl. L&L | 5.000,00 € |
Soll | Verbindlichkeiten L&L | Haben | ||||
Bank | 5.000 | Maschinen | 15.000,00 € |
Hier ist der Eröffnungssaldo der Bank niedriger, die einzige Änderung. Schon durch die Kassenentnahme wird das Bankkonto daher zu einem Passivkonto. Auch nach Eingang der Forderung i.H.v. 4.000 Euro bleibt nach der Teilzahlung an den Maschinenhändler immer noch ein Schuldsaldo. Das Bankkonto ist also auf der Passivseite der Bilanz der Unternehmung zu finden. Durch die Zahlung an den Maschinenhändler fließt nicht nur liquides Geld ab (Auszahlung), es nimmt auch eine Verbindlichkeit zu (Ausgabe). Es liegt also eine Auszahlungsausgabe vor. Es entsteht ein Kapitalbedarf. Die Ausgabe ist das Verpflichtungsereignis, das einen künftigen Ausgleich z.B. durch erneuten Zahlungseingang auf dem Bankkonto notwendig macht.
Das Beispiel zeigt, warum solche spitzfindigen Unterscheidungen so wichtig sind. Das wissen auch die Prüfungspoeten, die sowas bekanntlich bitterernst nehmen – und gerade hier aus gutem Grund, denn wir alle wissen, daß nicht ein Verlust, sondern die Zahlungsunfähigkeit der Anlaß für ein Insolvenzverfahren ist. Die Summe der Ausgaben (nicht der Auszahlungen!) ist also die Summe späterer Auszahlungsverpflichtungen, und kann diese nicht gedeckt werden, so kann das Insoolvenzverfahren die Folge sein. Das diesbezügliche Risiko abzuschätzen ist einer der Zwecke der Budgetrechnung.
Den Rechnungswesen-Leuten sagt man bekanntlich nach, Erbsenzähler („Korinthenka..er“) zu sein. Hier kann man besichtigen, warum. Man mag im oberen Management über solche Kleinigkeiten hinweggucken und Ergebnisse fordern, oder das Unternehmen, wenn es scheitert, einfach an eine Heuschrecke verkaufen. Das aber ist nicht die Mentalität der Prüfer, die auf solche Feinheiten stets bestehen. Sie während der Prüfungsvorbereitung auszulassen, wäre also ein großer Fehler.
Quellen:
- Zingel, Harry, „Budgetplanung“, Weinheim 2007, ISBN 978-3-527-50292-9, Amazon.de
- gruenderlexikon.de
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