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Bewertung und Bilanzierung: die negative Stille Reserven

Von Lars E.

Letzte Aktualisierung am: 28. Januar 2022

Geschätzte Lesezeit: 2 Minuten

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Stille Reserven, so weiß der Buchhalter, sind nicht aus der Bilanz ersichtliche Vermögensgegenstände. Sie entstehen durch Unterbewertung der Aktiva oder Überbewertung der Passiva, beides insbesondere im Rahmen des handelsrechtlichen Vorsichtsprinzips (§252 Abs. 1 Nr. 4 HGB). Stille Reserven verschleiern den Überblick über die Lage der Unternehmung, weil sich der sachverständige Dritte kein wahrheitsgemäßes Bild mehr aus dem Zahlenwerk der Bilanz machen kann. Die deutschen Bilanzierungsvorschriften sind daher seit Jahren in der Kritik. Was aber sind „negative“ Stille Reserven?

Schon vor mehreren Jahren wurden die amtlichen AfA-Tabellen reformiert, und das heißt natürlich, verschärft. Seither müssen viele Vermögensgegenstände länger abgeschrieben werden als sie tatsächlich genutzt werden. Auch wenn Wirtschaftsgüter bei tatsächlichem Abgang ausgebucht werden können, sind sie während ihrer Nutzungsdauer doch oft überbewertet: es entsteht eine negative Stille Reserve. Das hat sich seit letztem Januar noch verschärft, denn mit der Abschaffung der degressiven AfA gibt es jetzt keine Möglichkeit mehr, einen anfänglich schnelleren Wertverlust angemessen abzubilden. Wer beispielsweise ein Neufahrzeug kauft, verliert im ersten Jahr oft 30 bis 40% des Wertes. Das kann bilanziell nicht mehr dargestellt werden. Auch hierdurch entsteht eine negative Stille Reserve.

Ähnlich ist es auch bei den geringwertigen Wirtschaftsgütern: Zwar wurde die Verbrauchsfiktionsgrenze aus der Richtline 6.13 EStR in den neuen §6 Abs. 2a EStG verlagert und von 60 Euro auf 150 Euro angehoben, sodaß mehr Kleinmaterial und Kleingeräte direkt als Aufwand behandelt werden können, aber im ebenfalls ausgeweiteten Bereich zwischen 150 und 1.000 Euro müssen geringwertige Wirtschaftsgüter nunmehr pauschal über fünf Jahre abgeschrieben werden. Und zwar ausdrücklich auch, wenn sie das Vermögens längst verlassen haben, aus welchem Grund auch immer. Nichtmal eine außerordentliche Abschreibung ist hier mehr möglich. Das trifft insbesondere viele Bürocomputer, die zwar nach AfA-Tabelle über drei Jahre abgeschrieben werden dürfen, jetzt aber doch fünf Jahre in den Büchern stehen – wenn sie unter 1.000 Euro wert sind. Kein Wunder, daß auch hier eine negative Stille Reserve entsteht.

Wurde die deutsche Bilanz wegen ihrer tendenziellen Unterbewertung vielfach kritisiert, so ist eine ganz ähnliche Kritik jetzt wegen potentieller Überbewertung berechtigt, gerade auch weil steuerrechtliche Bewertungen durch den Maßgeblichkeitsgrundsatz auch handelsrechtlich relevant sind. Aussagekräftiger ist das Zahlenwerk damit nicht geworden. Das Motiv hat sich von der Vorsicht des Kaufmannes in die Gier des abzockenden Steuerstaates verlagert, aber das grundsätzliche Übel ist geblieben. Es hat nur gleichsam das Vorzeichen gewechselt. Das indes ist typisch deutsch. „Diese Gesetzesänderungen“, so mutmaßt ein Leser, sollten wohl nur „dazu dienen, unsere Abschlüsse denen der Zockerbanden anzugleichen“. Der Mann hat’s kapiert.

Und das letzte Wort in dieser Richtung ist noch nicht gesprochen: uns steht nämlich aller Voraussicht nach noch dieses Jahr das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) bevor. Mal sehen, ob das wirklich modernisiert, oder uns noch mehr den Zockerbanden angleicht…

Bildnachweise: © rcfotostock/Fotolia.com

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Über den Autor

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Lars E.

Lars schloss 2015 sein Studium in Betriebswirtschaftslehre ab. Anschließend absolvierte er ein Volontariat in einer kleinen Kölner Redaktion. Seit 2017 ist er fester Bestandteil des Redaktionsteams von betriebsausgabe.de. Hier kann er sein fachliches Wissen mit dem Anspruch, verständliche Texte rund ums Steuerrecht zu schreiben, miteinander kombinieren.

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