≡ Menu

Der kaufmännische Gewinnbegriff: Ohne Moos nix los…

Von Lars E.

Letzte Aktualisierung am: 16. Februar 2022

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

1 Stern2 Sterne3 Sterne4 Sterne5 Sterne (58 Bewertungen)
Loading ratings...Loading...

Wenige Begriffe sind so bekannt, und wenige so diffamiert, wie der Gewinnbegriff. Dabei verwundert es, daß für diesen Begriff noch nichtmal eine eindeutige Legaldefinition besteht. Hier wie so oft im Rechnungswesen steht und fällt aber alles mit klaren Definitionen und scharfen Abgrenzungen fundamentaler Begriffe. Einschlägige Prüfungen sind daher vielfach eher zweideutig – und nicht immer ganz fair. Schauen wir uns mal den Stoff an, aus dem man wahrlich prächtige Prüfungsknallschoten stricken kann:

Den meisten Gewinndefinitionen liegen die Grundbegriffe wie Kosten, Auszahlungen, Ertrag, Leistung usw. zugrunde. Grundlegend gibt es daher folgende Gewinndefinitionen:

  • Gewinn = Ertrag – Aufwand (GuV-Rechnung)
  • Cash Flow = Einzahlungen – Auszahlungen (Kapitalflußrechnung)
  • Betriebsergebnis = Leistungen – Kosten (Kosten- und Leistungsrechnung)
  • Neutrales Ergebnis = Neutrale Erträge – Neutrale Aufwendungen (Abgrenzungsrechnung)

In der Praxis reicht das aber noch lange nicht. Rechtsvorschriften überlagern die an sich schon komplexen Definitionen des Rechnungswesens. Eine Vielzahl einander teilweise widersprechender Definitionen haben sich daher etabliert:

  1. Handelsrechtlich wird der Gewinn definiert als positiver Saldo zwischen Erträgen und Aufwendungen einer Periode, aber als „Jahresüberschuß“ oder „Jahresfehlbetrag“ bezeichnet. Ort der Gewinnermittlung ist das GuV-Konto. Für Personengesellschaften ist keine eindeutige Definition gegeben, d.h., es handelt sich in weiten Teilen um eine gewohnheitsrechtliche Definition. Bei Kapitalgesellschaften ist der Gewinn aufgrund des Schemas der GuV-Rechnung zu ermitteln. Hierfür stehen in §275 HGB die GuV-Gliederung nach dem Gesamtkostenverfahren und die GuV-Gliederung nach dem Umsatzkostenverfahren zur Verfügung.
  2. Der Bilanzgewinn (bzw. Bilanzverlust) ist das Ergebnis der Berechnung nach §158 AktG. Die Vorschrift regelt die Reihenfolge der Dotierung der verschiedenen Rücklagen. Der Bilanzgewinn ist jedoch eigentlich kein eigenständiger Gewinnbegriff, sondern eine Fortsetzung des Gliederungsschemas der GuV-Rechnung.
  3. Die Cash Flow Rechnung kann als Anschlußrechnung zu GuV-Rechnung (indirekte Methode) oder selbständig (direkte Methode) durchgeführt werden. Sie bietet im Effekt die Differenz zwischen Einzahlungen und Auszahlungen. Das ergibt einen vom handelsrechtlichen Gewinn vollkommenen Zahlenwert, weil nicht alle Erträge und nicht alle Aufwendungen zahlungsgleich sind. Beispielsweise sind Abschreibungen oder Einstellungen in Rückstellungen auszahlungsungleiche Aufwendungen und Forderungserhöhungen deuten auf einzahlungsungleiche Erträge. Es kann sehr oft beobachtet werden, daß Unternehmen, die keinerlei Gewinn ausweisen (und also keine Gewinnsteuer zahlen müssen), doch einen hohen Cash Flow erzielen. Sie erwirtschaften damit im handelsrechtlichen Sinne Verlust (oder mindestens keinen Gewinn), haben aber dennoch viel Geld. Diese Strategie heißt „bumping along the ground“. Der Cash Flow bietet einen „besseren“ Gewinn, weil er das Maß an Zahlungsmittelfreisetzung einer Rechnungsperiode abbildet.
  4. Der Free Operating Cash Flow ist ein Sonderfall der Cash Flow Rechnung im Rahmen der Beurteilung des Shareholder Value.
  5. Kann keine Cash Flow Rechnung gemacht werden, weil beispielsweise die zur Bestimmung der Zahlungsgleichheit der einzelnen Posten erforderlichen Daten nicht allgemein vorliegen, so bieten EBT (Earnings Before Taxes), EBIT (Earnings Before Interest and Taxes), EBITDA (Earnings Before Interest, Taxes, Depreciation and Amortization) und vergleichbare Absolutkennziffern alternative Gewinnbegriffe.
  6. Steuerlich wird der Gewinn definiert als der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluß des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluß des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen (§4 Abs. 1 EStG). Die einkommensteuerliche Gewinndefinition wird in anderen Steuerarten zugrundegelegt. Die Vorschrift ist außerordentlich komplex und definiert bestimmte Größen, die den Gewinn nicht mindern dürfen bzw. in diesen hineinzurechnen sind.
  7. Gewerberechtlich ist die Absicht, Gewinn zu erzielen, ein konstituierendes Merkmal des Gewerbes. Das Gewerberecht kennt dabei zwar keinen eigenen Gewinnbegriff, aber ein (kompliziertes) Schema zur Ermittlung der Gewerbesteuer (§§7 ff GewStG). Dies ist effektiv eigentlich ein eigener Gewinnbegriff.
  8. In der Kosten- und Leistungsrechnung ist der Gewinn der Unterschied zwischen Leistungen und Kosten, der auch als Betriebsergebnis bezeichnet wird. Dies entspricht wiederum keineswegs den vorigen Gewinnbegriffen, denn nicht alle Kosten sind zugleich Aufwendungen und nicht alle Leistungen sind zugleich Erträge. Beispielsweise muß der Kostenrechner die Bank- und anderen Schuldzinsen aus der GuV-Rechnung entfernen und durch die kalkulatorischen Zinsen ersetzen. Ebenso müssen die steuerlichen Abschreibungen in der kostenrechnerischen Analyse durch die kalkulatorischen Abschreibungen ersetzt werden.
  9. Ein Sonderfall ist der Betriebserfolg, vgl. der im Rahmen der Aufbereitung der GuV-Rechnung ermittelt werden kann.
  10. In der Abgrenzungsrechnung, die die Kosten von den Aufwendungen und die Leistungen von den Erträgen trennt (Zweikreissystem), wird die Differenz zwischen neutralen Erträgen und neutralen Aufwendungen berechnet. Dieser Saldo heißt neutrales Ergebnis und umfaßt u.U. die Nebengeschäfte.

Und selbst diese Aufstellung ist noch unvollständig – in den Tiefen der Kennzahlenanalyse lassen sich gewiß noch weitere Gewinndefinitionen aufspüren, und selbst der weithin geliebte Deckungsbeitrag ist ja eigentlich auch nichts anderes als eine Art Rohgewinn. Das aber ist für Klausuren wie für die Wirklichkeit von großer Bedeutung: Wirtschaftlichkeits- und Rentabilitätsrechnung, Erfolgsauswertung und Sortimentsplanung, Auslagerungs- oder Kooperationsentscheidung, Start, Auswahl oder Einstellung von F&E-Projekten – all das hängt immer irgendwie mit einem Gewinnbegriff zusammen. Ohne eine sorgfältige definitorische Grundlage führt damit jede Überlegung in die Beliebigkeit, und jede Diplomarbeit in den Absturz des Diplomanden. Man baut, so die einfache Wahrheit, ein Haus vom Fundament an aufwärts. Vielen Betriebs wirten aber fehlt das entsprechende begriffliche Fundament, und vielen Praktikern erst Recht. Die können dann ihre Fehler nicht begraben, wie die Ärzte, auch nicht Efeu drum herum pflanzen, wie die Architekten, sondern sie begegnen ihren Fehler auf den Fluren der Gerichte wieder, oder vor dem Prüfungsausschuß.

Quellen

Bildnachweise: © v.poth/Fotolia.com

Das könnte Sie auch interessieren:

Über den Autor

Male Author Icon
Lars E.

Lars schloss 2015 sein Studium in Betriebswirtschaftslehre ab. Anschließend absolvierte er ein Volontariat in einer kleinen Kölner Redaktion. Seit 2017 ist er fester Bestandteil des Redaktionsteams von betriebsausgabe.de. Hier kann er sein fachliches Wissen mit dem Anspruch, verständliche Texte rund ums Steuerrecht zu schreiben, miteinander kombinieren.

Kommentar hinterlassen