Buchhaltungssoftware für Unternehmen ist ein Bereich, bei dem das Digitale Rechtemanagement (Digital Rights Management, DRM) besonders weit fortgeschritten ist. Dies gibt den Herstellern eine weitreichende Macht über die Unternehmen – was diese bisweilen bereuen. Wir schauen uns mal an einem Microsoft-Beispiel an, wohin das führen kann: Buchhaltungsprogramme sind eigentlich nur Datenbanksysteme, die den Buchungsstoff und eine Vielzahl anderer Informationen in Tabellen verwalten, und in Formularen und Berichten auswerten und bereitstellen. Während Systeme wie FileMaker oder Access dem Anwender erlauben, seine eigene Datenbank zu programmieren, hat der Hersteller bei einer Buchhaltungssoftware dies schon getan – so daß das Datenbanksystem für die Zwecke der kaufmännischen Rechnungslegung geeignet ist. Hier aber wird mit harten Bandagen gekämpft – und zwar oft gegen den Nutzer.
So können die Nutzer ein „nacktes“ Standardsystem zwar den jeweiligen individuellen Bedürfnissen des Betriebes anpassen, müssen hierfür aber die Lizenzrechte an jedem einzelnen Datenbankobjekt einzeln erwerben. Will ich also einen neuen Bericht, eine weitere Liste, eine zusätzliche Auswertung oder eine weitere Eingabemöglichkeit, dann kostet das jeweils Geld – und nicht wenig. Auch die höchste Zahl der Buchungssätze, die maximale Zahl der Konten, der Kunden oder der Lieferanten ist jeweils beschränkt. Schon das Recht, Erweiterungen überhaupt nur vornehmen zu dürfen, kostet extra – noch bevor ein Programmierer Hand anlegt: der Softwarehersteller verdient am Wachstum der Unternehmung mit, ohne Gesellschafter zu sein und ohne ein Risiko zu tragen: Die Unternehmen sind damit auf dem Weg in die Abhängigkeitsökonomie: Deine Buchführungssoftware, ein Faß ohne Boden.
Und solche Zugriffsrechte sind richtig teuer: so kostet eine Microsoft Navision Einführung in einem mittelprächtigen mittelständischen Unternehmen einschließlich notwendiger Individualisierungsarbeiten leicht mehrere Hunderttausend Euro, mit SAP kommt man schnell auf eine Millionen. Und dabei behält der Hersteller stets die Vormundschaft, denn alle Lizenzen sind zeitbeschränkt. Ist der Zeitraum abgelaufen, sieht der Buchhalter nur noch eine Fehlermeldung statt seiner Buchungsdaten. Da die Nachfrage aber starr ist, denn kein Unternehmen kann ohne ordentliche Daten geführt werden, wird zähneknirschend bezahlt – auch für alle Updates, denn wegen der Zeitbeschränkung können Versionsgenerationen nicht „übersprungen“ werden, wenn sie wenig Neues enthalten. Dafür sind mit der neuen Version alle individuellen Anpassungen und Erweiterungen der bisherigen Fassung verschwunden und müssen umständlich erneut eingebaut und damit auch erneut bezahlt werden. Und auch Migrationen zur Konkurrenzprodukten sind schwierig und teuer – und das dürfte gewollt sein.
Und selbst das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange: in Brasilien hat Microsoft dem Vernehmen nach schon ein Prepaid-Kartensystem eingeführt, das dem Anwender an seinem eigenen Computer (!) zwingt, Nutzungszeit zu kaufen. Ist die Zeit verbraucht, wird der Rechner unbenutzbar. Brasilien scheint für Microsoft so was wie ein Testmarkt zu sein: dort hat man auch die Windows-Echtheitsprüfung ausprobiert, die man ja inzwischen auch hier recht gut kennengelernt hat. Das Prepaid-System könnte dann in seiner Inkarnation als Application Service Providing auch in Europa auftauchen: unter dem Windows XP Nachfolger „Vista“ laufen nämlich serverbasierte Anwendungen, die äußerlich nicht von lokal installierten Programmen zu unterscheiden sind, aber per Nutzungszeit als Dienstleistung zu kaufen sind. Raubkopieren unmöglich. Und Billy kennt alle Daten, die mit seinem Produkt verarbeitet werden. Die deutsche Steuerverwaltung, so wird gemunkelt, würde dies am liebsten verpflichtend einführen – mit Hintertür auf die Anwenderdaten. Dann wäre sie endlich Realität, die schon vor Jahren vorbereitete Steuerfahndung per Suchmaschine.
Konkurrenz belebt das Geschäft, nur leider noch nicht in dieser Branche. Während OpenOffice Microsoft das Fürchten lehrt und Linux zu Bills Alptraum zu werden droht, gibt es im oligopolistischen Markt der Unternehmenssoftware noch immer keine OpenSource-Produkte. Und die Unternehmen haben nichtmal eine illegale Option, weil die Hacker so was langweilig finden und es nicht „cracken“. Die wenigen Hersteller können also die Buchführungsdaten der Unternehmung in Geiselhaft nehmen und Wucherpreise verlangen. Digital Rights Management (DRM) ist in Wirklichkeit ein Digital Restrictions Management – und damit eine Gefahr für den Nutzer, dem der Softwarehersteller jederzeit seine Daten amputieren kann. Bei Pflichtveranstaltungen wie steuerlicher Rechnungslegung ein existenzbedrohendes Risiko.
Quellen: Gratisangebote, DRM und Opportunitätskosten: Auf dem Weg in die Abhängigkeitsökonomie | Auf dem Weg zur virtuellen Steuerprüfung per Suchmaschine | Virtuelle Steuerprüfung per Suchmaschine ab 1. April 2005 | Neue Kontrollmöglichkeiten des Schnüffelstaates | Vom vielfachen Fortleben der Bockwurst | Über die Krise der Softwareindustrie
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