Vom 1. Januar 2017 an soll flächendeckend bis 2022 in allen deutschen Finanzämtern die vollautomatische Steuererklärung eingeführt werden. Das Ziel ist offensichtlich: Runter mit der Bürokratie – sowohl für die Finanzbehörden, als auch für den Unternehmer. Klingt erstmal gut, doch leider gibt es auch Tücken.
Warum ist eine Modernisierung notwendig?
Es gibt tatsächlich gute Gründe für eine Modernisierung des Steuerverfahrens. Die bisherigen Regelungen zur Abgabenordnung reichen in die Jahre der 1970er zurück. Aus Sicht der Technik sozusagen in die “Steinzeit”. Das passt einfach nicht mehr zu unseren heutigen Kommunikationsmitteln und technischen Möglichkeiten.
Außerdem kostet Bürokratie – und das ist im Zusammenhang mit Papierkram immer der Fall – Geld. Unsere Steuergelder. Daher ist es nur vernünftig, dass Ansätze gesucht werden, den Bürokratieaufwand zu senken. Die Steuererklärungen sollen zusätzlich noch schneller bearbeitet werden.
Ein dritter Punkt: Viele Finanzbeamte werden in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehen. Aktuell fehlen bereits Tausende Beamte. Das wird in Zukunft noch “dramatischer”. Diese Lücke muss der Fiskus irgendwie kompensieren. Die dann vorhandenen Finanzbeamten sollen nur komplizierte oder betrugsanfällige Steuererklärungen “von Hand” bearbeiten.
Gibt es nicht schon eine elektronische Steuererklärung?
Ja, bei der so genannten “vorausgefüllten Steuererklärung” wird das Steuerverfahren per Elster bereits digital abgewickelt. Das System soll weiter ausgebaut werden. Schon heute werden nach Angaben des Steuerzahlerbunds circa 50 Prozent aller Einkommenssteuererklärungen elektronisch abgegeben.
Alles Gold was glänzt?
Leider ist es nicht so. Bereits vor 2 Jahren äußerte sich Prof. Dr. Johanna Hey, Direktorin des Instituts für Steuerrecht an der Universität Köln und Wissenschaftliche Direktorin des ifst, zu diesem Thema wie folgt:
„Reform darf keine Einbahnstraße sein… Die Reform darf nicht nur auf die eine Erleichterung der Arbeitsorganisation der Finanzverwaltung gerichtet sein, sondern muss auch die Steuerpflichtigen und deren Berater in den Blick nehmen.“
(siehe auch den Artikel: Das elektronische Finanzamt – Modernisierung des Besteuerungsverfahrens)
Schließlich müssen die Belege weiterhin aufbewahrt werden. Auch nach der Vollautomatisierung kann das Finanzamt jederzeit die Herausgabe der Belege fordern. Viel gespart hat der Unternehmer dadurch nicht. Ein paar Cent Port vielleicht…
Bereits heute tauchen Fragen auf
Schon heute sind viele Unternehmen verpflichtet, ihre Bilanz sowie die Gewinn-und-Verlust-Rechnung elektronisch an das Finanzamt zu übermitteln. Doch in der Praxis tauchen immer wieder Fragen und Erläuterungsbedarf auf. Bei einem reinen Arbeitnehmer mag vielleicht ohne Weiteres ein vollautomatisches Steuerverfahren möglich sein. Aber Steuererklärungen von Selbstständigen und Unternehmern sind einfach komplexer.
So müssen viele Finanzämter immer häufiger bei Unternehmen nachfragen, wie sie die Daten denn meinen, die sie übermitteln. Das führt nicht gerade zu einem Bürokratieabbau. (siehe auch: E-Bilanz: Unternehmen müssen sich auf Anfragen einstellen)
Steuerrecht bleibt kompliziert
Der eine oder andere würde eher etwas mehr Bürokratie in Kauf nehmen, dafür ein weniger komplexeres Steuerrecht. Diese Frage muss sich die Regierung ebenfalls gefallen lassen:
Wird ein Computer auch in Zukunft zugunsten des Steuerpflichtigen prüfen? Finanzbeamte “aus Fleisch und Blut” haben dies bisher getan.
Wie sieht es in puncto Datenschutz aus?
Datenschutz und gläserner Bürger ist immer ein heißes Thema. Natürlich, einen 100-prozentigen Schutz gibt es nicht. Auch nicht bei der klassischen Papiervariante (Auch da könnte ein Krimineller im Finanzamt einbrechen und alle Steuererklärungen stehlen…).
Interessant ist eine Aussage von Thomas Faber, Leiter von Secure-it.nrw, ebenfalls im Zusammenhang mit der elektronischen Steuererklärung (Zugegeben, die Aussage stammt von 2007 und steht nicht im direkten Zusammenhang mit der aktuellen Reform):
“Aufseiten der Behörden ist Elster mittlerweile sehr sicher”. Es sind eher die Computer der Nutzer, die weniger gut geschützt und anfällig für Hacker sind.
Richtig, die Finanzämter sind sicherlich besser geschützt als ein Privatcomputer. Müssen sie auch! Warum sollte schließlich ein Hacker auf einen Privatcomputer zugreifen und die Daten der Steuererklärung eines Arbeitnehmers stehlen? Aber ob die aktuellen Sicherheitssysteme der Finanzbehörden ausreichend sind, ist eine andere Frage.
Im Sommer 2015 gab es einen groß angelegten Hackerangriff auf den Bundestag. Michael Hange, Präsident des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) informierte über das Ausmaß:
“die Auswertungen hätten bislang ergeben, dass es dem Angreifer gelungen sei, Administrationsrechte für die gesamte Infrastruktur zu erhalten.“ Daher sei „von einer breiten Kompromittierung der Netzinfrastruktur mit höchstmöglichen Rechten auszugehen” … Schutzmaßnahmen griffen „nur noch eingeschränkt“.
Weiter heißt es in dem Artikel:
“dass insbesondere der zentrale Verzeichnisdienst übernommen worden“ sei … “Somit habe der Angreifer prinzipiell Zugriff auf alle Zugangsdaten der Fraktionen, Abgeordneten und Bundestagsmitarbeiter, die von diesem Verzeichnisdienst erfasst seien. Habe sich der Angreifer im Netz schließlich festgesetzt, könne er sich offen bewegen, weil er dann wisse, dass er höchstwahrscheinlich nicht entdeckt werden könne.“
Wenn das bei einem Hacker-Angriff auf den Bundestag gelingt, bleibt die Frage offen, ob denn der Fiskus auch in puncto Sicherheit für das “Finanzamt 2.0” gerüstet ist.
Daher kann jedem Unternehmer nur die Empfehlung gegeben werden, so lange wie möglich auf die bisherige Regelung zurückzugreifen und auf eine elektronische Steuererklärung zu verzichten.
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