Der Traum von der eigenen Selbständigkeit und den Möglichkeiten, sein „eigener Chef“ zu sein und das Arbeitsleben zu organisieren, ist vielen zu Eigen. Während früher nur die sog. Katalogberufe (Freie Berufe) als Freiberufler galten, gibt es für klassische Gewerbetreibende heute eine Vielzahl an weggefallenen Restriktionen und die Chance, in vielenhandwerklichen Gewerken selbständig zu arbeiten. Das Problem bei nur einem Auftraggeber: Scheinselbständigkeit. Dies betrifft beispielsweise selbstständige Pfleger in Pflegeheimen.
Exkurs: Scheinselbstständig bedeutet, dass zwar formaljuristisch alles auf eine Selbständigkeit hindeutet, die arbeitende Person aber tatsächlich als Beschäftigter i.S.v. § 7 Abs. 1 SGV IV eingestuft wird. Das hat Folgen sowohl für den „Selbständigen“ als auch für den Auftraggeber.
Ein jüngstes Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 07. Juni 2019 (Az. B 12 R 6/18 R) führt nun höchstrichterlich vor Augen, dass dies auch bei sog. Honorarpflegekräften der Fall sein kann.
Betriebsausgabe.de sieht sich den Fall näher an und erläutert die Auswirkungen für Arbeitgeber, wenn bei Auftraggebern eine sog. „Scheinselbständigkeit“ festgestellt wird.
Worum geht es im vorliegenden Urteil des Bundessozialgerichts zu Honorarpflegern?
Im zur Verhandlung anstehenden Fall geht es um die Beschäftigungspraxis einer Seniorenresidenz, die im Jahre 2012 annähernd bis zu 85 Prozent der dort eingesetzten Pflegekräfte gegen Honorar entlohnte. Maßgeblich für den Fall ist die Tätigkeit eines Krankenpflegers, der in wechselnder Regelmäßigkeit (meist tage- oder wochenweise) dort aktiv wurde und in der Regel „eigenverantwortlich“ arbeitete. Zudem gab es klare Unterschiede, etwa in Form eines separaten Namensschilds oder einer eigenen Berufskleidung. Des Weiteren, und das ist oftmals bei Arbeitgebern relevant, betrug der abzurechnende Stundenlohn circa das 2,5-Fache der für dieselben Tätigkeiten angestellten Pflegekräfte.
Das Urteil: Das Bundessozialgericht (BSG) folgte nicht den Ausführungen der Seniorenresidenz, dass dadurch hinreichend Merkmale gegeben seien, um dies als Selbständigkeit einzuordnen. Trotz der vorliegenden Aspekte, wobei insbesondere die Höhe der Vergütung klar für eine Selbständigkeit spricht, kritisierten die Richter zwei Punkte. Die Eingliederung in den Betriebsablauf, also gewissermaßen auch die wechselseitige Abhängigkeit zwischen Auftraggeber und -nehmer, sowie die Weisungsgebundenheit sprechen nach ihrer Auffassung gegen eine Einordnung als selbständige Tätigkeit.
Die Folgen: In der Argumentation der BSG-Richter ist es mehr als fraglich, dass der als Honorarpflegekraft beschäftigte „Selbständige“ in der Form „unternehmerisch frei“ handeln kann, wenn es sich um pflegerische Aspekte der Arbeit in einer stationären Einrichtung handelt. Aspekte wie ein Auswahlrecht der zu pflegenden Personen oder eine Wahlfreiheit bei der Abfolge seien demnach nicht ausreichend.
Im Klartext: Auch wenn es sich um sog. Mangelberufe handle, für die Arbeitgeber nur schwerlich qualifiziertes Personal finden, ändert dies nichts an den klassischen Merkmalen der Tätigkeit sowie der Sozialversicherungs- und Beitragspflicht. Der Versuch der Seniorenresidenz, durch eine höhere Entlohnung praktisch Sozialversicherungsbeiträge zu umgehen, sei damit nicht ausreichend, um die Attraktivität des Berufs insgesamt zu erhöhen.
Scheinselbständigkeit: Konsequenzen für Unternehmer können gravierend sein
Damit man von „Scheinselbständigkeit“ im Sinne des Gesetzes bzw. der Rechtsprechung reden kann, muss es sich prinzipiell um „arbeitnehmergleiche Tätigkeiten“ handeln, die „weisungsgebunden“ ausgeführt werden. Ein weiteres wichtiges Kriterium ist der Grad der Einbindung in die betrieblichen Strukturen. Vor allem in stark saisonal geprägten Branchen ist es üblich, Saisonkräfte einzustellen oder Engpässe durch Honorarkräfte auszugleichen.
Das hat unter anderem Vorteile für Arbeitgeber bei den Sozialversicherungsbeiträgen, führt zu einer Beschränkung der normalerweise gegebenen Urlaubsanspruchs des „Arbeitnehmers“ und bietet natürlich maximale Flexibilität, die einen Teil des unternehmerischen Risikos auf den Auftragnehmer überträgt.
Wichtig: Wer als Arbeitgeber auf Selbständige oder Freiberufler setzt, deren Status jedoch nicht klar durch die Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund geregelt und festgestellt wurde, läuft bei gewissen Konstellationen ein hohes Risiko. Arbeitgeber sind in der Regel bis zu vier Jahre rückwirkend dazu verpflichtet, Arbeitnehmer- sowie Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung zu zahlen – Bezugspunkt ist hier das gezahlte Honorar, welches als Nettogehalt betrachtet wird. Zudem wirkt sich das auf die Umsatzsteuer aus, was bedeutet, dass Auftraggeber bereits abgezogene Vorsteuer für noch nicht veranlagte Geschäftsjahre schuldig bleiben.
Lassen Sie sich deshalb vor Beauftragung von Scheinselbstständigen juristisch beraten und setzen Sie auf ein Statusfeststellungsverfahren. Die Deutsche Rentenversicherung Bund hat ein Servicetelefon unter der 0800 1000 4800 und gibt auf Nachfrage weitere Informationen für Arbeitgeber und Auftraggeber.
- Vergleiche Definition: Katalogähnliche freie Berufe
- Tipps für Freelancer: Vermeidung von Scheinselbstständigkeit bei Freiberuflern
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