(1) Die Wahrscheinlichkeit der Kontrollbesuche durch den Steuerfahnder hat sich beträchtlich erhöht. Davor schützt auch nicht das persönliche Empfinden einer adäquat beachteten Sorgfalt im beruflichen oder privaten Bereich. Die frühere Hemmschwelle ist bei den heutigen Finanzbeamten stark abgesenkt.
Daher bewirkt die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens nicht allein den Übergang in eine andere Verfahrensart, sondern den Eintritt in eine andere Welt. Demgemäß sind „Selbstversuche“ unangebracht. Erforderlich ist vielmehr ein effektiver Rechtsschutz.
(2) Ein beschuldigter Steuerbürger sollte zur Wahrung seiner Interessen die folgenden grundsätzlichen Hinweise beherzigen:
Erscheint die Steuerfahndung zur Hausdurchsuchung, so besteht der erste Fehler regelmäßig in der Vernachlässigung des rechtmäßigen Schweigerechts. Persönliche Statements sind daher deplaciert. Stattdessen ist es geboten, die Hausdurchsuchung in passiver Aufmerksamkeit hinzunehmen.
Der zweite Fehler resultiert aus einem oftmals kindheitsgeprägten Missverständnis, durch ein offenes Zugehen auf die Steuerfahndung eine faire und schnelle Verfahrensbeendigung erreichen zu können. Diese Selbstsuggestion ist trügerisch. Einer zweckdienlichen Verteidigung entspricht es stattdessen, kontrolliert in dem jeweils erforderlichen Umfang und Ausmaß zu agieren.
Der dritte Fehler besteht in der vielfach versäumten Beachtung von Komponenten im organisatorischen Aufbau des Strafverfolgungsapparats und darin wirkender Mechanismen. Diese Nachlässigkeit ist nicht reparaturfähig. Stattdessen ein hierzu auch situativ angepasstes Verhalten zu praktizieren, dient der eigenen Verfahrensförderung.
(3) Jedem Steuerstrafverfahren wohnt eine Eigendynamik inne, die für den beschuldigten Steuerbürger zu einem beträchtlichen Risikopotenzial anschwellen kann. Deshalb ist es fast immer unerlässlich, ein aus einem Straf- und Steuerrechtler bestehendes Spezialisten-Team einzuschalten.
(4) Steuerstrafverfahren sind grundsätzlich langjährige Verfahren. Daher muss sich der beschuldigte Steuerbürger von der psychologisch verständlichen Erwartung lösen, eine kurzfristige Beendigung des Steuerstrafverfahrens herbeiführen zu können – es sei denn, er ist bereit, jedweden Betrag zu bezahlen („Freikauf“).
(5) Der mit einem Steuerstrafverfahren konfrontierte Steuerbürger muss die Vorstellung dämpfen, im Rahmen eines Steuerstrafverfahrens sei nur der Steuerbetrag nachzuzahlen, der sich bei einer vollständigen und rechtzeitigen Angabe der rechtmäßigen Besteuerungsgrundlagen ergeben hätte. Denn der steuerliche Strafverfolgungsapparat ist durchaus darauf ausgerichtet, ein auch darüber hinausgehendes Mehrergebnis erzielen zu wollen. Dies geschieht regelmäßig über Zuschätzungen. Die Aufgabe einer erfolgreichen Verteidigung besteht daher in einer wirksamen Begrenzung dieses Mehrbetrags (einschließlich damit verbundener Zinsen).
(6) Fehlerhafte Tatsachenfeststellungen der Steuerfahnder sollten nicht sogleich klargestellt, sondern aufmerksam zur Kenntnis genommen werden. Denn die Tätigkeit der Steuerfahndung ist in der Praxis auf eine Belastung des Steuerbürgers unter Vernachlässigung dessen Entlastung angelegt. Daher wird die Fehlerhaftigkeit von Ermittlungsergebnissen erst zur gegebenen Zeit am rechten Ort gerügt werden. Die Begründetheit der Fehlerhaftigkeit auch anderer vermeintlicher Tatsachenfeststellungen der Steuerfahndung wird dadurch erheblich verstärkt.
(7) Eine Verteidigung in signifikanten Steuerstrafverfahren kann nur von demjenigen Rechtsanwalt adäquat durchgeführt werden, der auch in einer gegebenenfalls erforderlich werdenden Hauptverhandlung vor den Strafgerichten die dafür erforderlichen Techniken vollständig und souverän beherrscht. Dies gilt insbesondere für das Revisionsrecht.
Praxishinweis
Trotz aller (heftigen) Auseinandersetzungen wird die Verteidigung eine sich bietende Möglichkeit der Verständigung während des gesamten Verfahrensablaufs stets im Auge behalten. Dies setzt aber eine frühzeitige und realitätsnahe Einschätzung der Verteidigungsmöglichkeiten und damit zugleich der zu erwartenden Verfahrensbeendigung voraus.
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