Bereits heute können Selbstständige bis zu 40% der erwarteten Anschaffungskosten für ein Investitionsgut gewinnmindernd als sogenannter Investitionsabzugsbetrag geltend gemacht werden. Umstritten ist aber, in welchem Zeitraum der Investitionsabzugsbetrag steuerlich zu berücksichtigen ist, und ob er nachträglich erhöht werden kann, wenn sich herausstellt, dass die Investition teurer war als prognostiziert.
Beim Bundesfinanzhof (BFH) in München ist ein Verfahren anhängig, das für investitionswillige Selbstständige von großer Bedeutung sein könnte. Gegenstand des Verfahrens ist die Frage, wie die Anschaffungskosten für ein Investitionsgut steuerlich zu berücksichtigen sind.
Nachträgliche Aufstockung bisher unzulässig
Bisher verlangen die Finanzverwaltungen, dass der volle Investitionsabzugsbetrag für ein Investitionsgut in nur einem Jahr berücksichtigt wird, und lassen seine Anrechnung über mehrere Jahre ebenso wenig zu wie seine nachträgliche Erhöhung. Diese Verwaltungspraxis führt in vielen Fällen dazu, dass der Investitionsabzugsbetrag nicht in voller Höhe ausgeschöpft werden kann und dem Selbstständigen damit steuerlich verloren geht. Denn für den Investitionsabzugsbetrag gelten Höchstbeträge, die abhängig von der Gesamthöhe des zu versteuernden Einkommens sind. Für die Berechnung der Höchstbeträge empfiehlt sich der Einsatz von Buchhaltungssoftware, um den Investitionsabzugsbetrag in jedem Fall voll ausschöpfen zu können.
Selbstständige mit geringem Einkommen benachteiligt
Betroffen von der bisherigen Regelung sind Selbstständige vor allem dann, wenn ihr steuerpflichtiges Einkommen gering ist, und der Anschaffungspreis für das Investititionsgut gemessen am Einkommen hoch ist. Hauptleidtragende der bestehenden Praxis der Finanzverwaltungen sind also ausgerechnet Kleinunternehmer, da bei ihnen dieselbe Investition schneller die zulässige Höchstgrenze überschreitet, als bei Selbstständigen mit höherem Einkommen. Gerade für sie könnte die Möglichkeit einer gestaffelten Anrechnung des Investitionsabzugsbetrages über mehrere Jahre daher eine erhebliche Erleichterung bedeuten, da sie ihn dann voll ausschöpfen könnten.
Finanzgericht kontra Finanzbehörden
Nach Ansicht von Experten ergibt sich die bisherige Praxis der Finanzbehörden aber nicht zwingend aus dem Gesetz. Dieser Meinung hat sich das Niedersächsische Finanzgericht offensichtlich angeschlossen. Denn im Widerspruch zur bisherigen Verwaltungspraxis der Finanzbehörden entschied es im Juli 2010, der Investitionsabzugsbetrag könne auch noch im auf seine Geltendmachung folgenden Jahr aufgestockt werden (Niedersächsisches FG, Urteil vom 20.7.2010, Az. 16 K 116/10).
Was Steuerpflichtige tun können
Bis die Frage abschließend durch den BFH entschieden ist, sollten Steuerpflichtige, denen das Finanzamt eine Aufstockung des Investitionsabzugsbetrags verweigert, Einspruch einlegen unter Hinweis auf das beim BFH anhängige Verfahren (Az. des BFH: X R 25/10), und zugleich das Ruhen des Steuerverfahrens beantragen.
Quellen:
- BFH, Urteil vom 19. 10. 2011 – X R 25/10
- Niedersächsisches FG, Az. 11 K 435/10 – Urteil vom 03.11.2011
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