Nachdem wir uns im vorigen Artikel klar gemacht haben, warum nicht alle veränderlichen Kostenarten auch variabel sind, schauen wir jetzt mal auf die strategischen Auswirkungen dieser Erkenntnis. Hier ist relevant zu erkennen, daß die Kostenartenrechnung als System unterstützender Prozesse dienende Funktion hat,
Es kann zunächst bedeutsam sein, sich die bekannten Kostenverläufe der Teilkostenrechnung zu visualisieren. Dabei wählen wir aber nicht die verbreitete Darstellung in Euro pro Periode in Abhängigkeit von der Leistung X, sondern die Stückkostendarstellung in Euro pro Stück in Abhängigkeit von der Ausbringungsmenge.
Es muß zunächst einleuchten, daß die variablen Kosten pro Stück jetzt als horizontale Linie erscheinen, weil sie ja pro Exemplar erneut entstehen, während die Fixkosten pro Stück degressiv dargestellt werden, weil sie sich mit wachsender Stückzahl ja auf eine größere Ausbringungsmenge verteilen und daher pro Exemplar zurückgehen. Daher verhalten sich natürlich auch die Gesamtkosten degressiv, denn sie sind ja nur die Summe aus Fixkosten und variablen Kosten. Bei einem gegebenen Umsatz pro Stück entsteht am Schnittpunkt zwischen (degressiver) Gesamtkostenlinie und Verkaufspreis pro Stück der Break Even Punkt. Der Bereich dahinter repräsentiert das Gewinnpotential. Soweit die weithin bekannte Theorie.
Systemische Wettbewerbsvorteile aufgrund der Kostenstruktur
Das aber hat weitreichende Konsequenzen. Für die Telekommunikations- und die Medienbranche haben wir nämlich festgestellt, daß in vielen Fällen variable Kosten fehlen. Das wird in der rechten Skizze visualisiert. Die Gesamtkosten und die Fixkosten sind damit identisch. Die Gesamtkostenkurve fällt daher mit wachsender Stückzahl steiler, denn pro Exemplar neu entstehende variable Kosten gibt es ja nicht. Man spricht von einer steileren Stückkostendegression.
Nimmt man vereinfachend vergleichbare Verkaufspreise an, so fallen zwei Konsequenzen dieser Kostenstruktur auf: der Break Even Punkt liegt früher, d.h. wird bei wachsender Ausbringungsmenge schneller erreicht, und die zwischen Gesamtkosten- und Umsatzkurve hinter der Gewinnschwelle entstehende Fläche ist weitaus größer. Damit ist aber auch das Gewinnpotential größer, und zwar um so mehr, je geringer die variablen Kosten sind. Im Medien- und im Telekommunikationsgewerbe soll es statistisch gesehen die meisten Millionäre geben. Das wundert uns jetzt sicher nicht mehr.
Tiefgreifende Bedeutung
Auch wenn die hier gemachten Annahmen etwas schematisch sein mögen, so ist dies doch eine verallgemeinerungsfähige Erkenntnis: werden variable Kosten durch kostenstrategische Maßnahmen in Fixkosten umgewandelt, so verbessert dies zumindstens tendenziell die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmung. Medien- und Softwarefirmen haben hier einen systemischen Vorteil, aber der Wettbewerb zwischen Industriebetrieben hat auch etwas damit zu tun, variable Kosten in Fixkosten zu verwandeln – zum Beispiel durch Automatisierung, also Personalabbau zugunsten höherer Technizität, oder die Nutzung kostengünstigerer Rohstoff- und Energiequellen. Um so mehr dies in einem Wirtschaftsraum möglich ist, desto tendenziell wettbewerbsfähiger ist die produzierende Wirtschaft. Leider hat man das aber in Berlin noch nicht erkannt.
Quellen: : die Kosten-Flatrate | Leitfaden für die Einrichtung von Maschinenkostenrechnungen | Kostenrechnung: Die häufigsten Fehler bei der Berechnung der kalkulatorischen Zinskosten | Kostenrechnung: Rechenmethoden und Rechenfehler bei der kalkulatorischen Abschreibung | Kostentheorie: beliebte Fehler bei der Definition der variablen Kosten | Die Kostenarten der Maschinenrechnung, 1 von 3: Kosten sind nicht immer Zahlungen! | Die Kostenarten der Maschinenrechnung, 2 von 3: Die Grundkosten | Die Kostenarten der Maschinenrechnung, 3 von 3: Sprungfixe Kosten | Formelsammlung der BWL
Quellen: Zingel, Harry, „Kosten- und Leistungsrechnung“, Weinheim 2008, ISBN 978-3-527-50388-9, Amazon.de
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