Der Onlinehandel über große Plattformen wie Amazon, eBay und Alibaba ermöglichte vielen kleineren Händlern überhaupt erst den Markteintritt und die Möglichkeit neue Kundengruppen zu erschließen. Was im Kleinen funktioniert, lockte auch im großen Marken. Im Online-Geschäft mischen nun nicht nur kleine spezialisierte Händler mit, sondern ebenso etablierte große Unternehmen. Der Kampf um Marktanteile wird teils erbittert geführt. Viele Händler unterschätzen dabei nicht selten die Macht der Platzhirsche oder verstoßen fahrlässig gegen das Markenrecht – das kann schnell teuer werden!
Folgen bei unseriösen Angeboten mit verbotenen Artikeln
Markenrechtsverletzungen und der Verkauf von Fälschungen können schlimme finanzielle Folgen haben, weshalb gerade Kleinunternehmer und Startups gut beraten sind, ihre Angebote hinsichtlich markenschutzrechtlicher Aspekte kritisch zu prüfen. Doch leider ist nicht immer klar, ob man rechtssicher handelt oder die Rechte von Dritten verletzt. Und selbst wer eine Abmahnung erhält, muss nicht zwangsläufig einen Verstoß begangen haben.
Abmahnungen oder Klagen aufgrund von Markenrechtsverletzungen werden immer häufiger auch rechtsmissbräuchlich oder schon bei kleinstem Verdacht eingesetzt, sodass Markenrechtsverletzungen schon oft vor Gericht verhandelt wurden. Betroffene Händler brauchen, wenn sie von ihrer Unschuld überzeugt sind, einen langen Atem und eine gute Rechtsschutzversicherung. Einhergehend damit gilt die Empfehlung zu prüfen, welche Art von Rechtsstreitigkeiten eine möglicherweise bereits vorhandene Rechtsschutzversicherung abdeckt und ob diese gegebenenfalls erweitert werden sollte.
Urteile zu Markenrechtsverletzungen auf Amazon
Während manche Rechtsverstöße auf Amazon auch eindeutig als solche zu bezeichnen sind, ist es bei anderen, vermeintlichen Markenrechtsverletzungen, weitaus schwieriger. Nicht selten steckt hinter einer Abmahnung, Klage oder Unterlassungserklärung der Versuch eines Mitbewerbers Umsätze auf das eigene Unternehmen zu konzentrieren und Mitbewerber rechtsmissbräuchlich auszustechen. So kann der Tatbestand einer Markenrechtsverletzung zwar als objektiv erfüllt angesehen werden, sich aber im Nachhinein als rechtsmissbräuchliches Verhalten im Sinne des § 242 BGB erweisen.
Beispiel: Gemeinsamer Vertrieb unter gleicher ASIN |
Die Identifikation von Produkten erfolgt bei Amazon mittels einer ASIN-Nummer. Vertreiben mehrere Händler dasselbe Produkt unter der gleichen ASIN, so ist dies zunächst ein ganz typisches Geschäftsgebaren.
Trägt nun einer dieser Händler unter der betreffenden ASIN eine Marke ein, so verstoßen andere Händler zunächst objektiv gegen das Markenrecht, da sie zu dessen Verwendung nicht autorisiert wurden. In einem konkreten Fall hat dann ein Händler gegen andere Händler Klage eingereicht und versuchte so, die eigene Position zu stärken. Markenrechtlich gesehen war dieser zunächst im Recht. Da ihm aber die gemeinsame Nutzung einer ASIN bekannt und dieser unterlassen hatte, Mitbewerber über die Vorgänge zu informieren, wurde dies als rechtsmissbräuchliches Verhalten im Sinne des § 242 BGB gewertet, sodass die Klage abgewiesen wurde. Einen Fall wie diesen verhandelte beispielsweise das Landgericht Frankfurt und entschied für die Beklagten. Das rechtsmissbräuchliche Verhalten führte dazu, dass der Kläger seine entstandenen Kosten auch in der Berufung nicht geltend machen konnte. |
Erhält ein Händler also entsprechende Post einer Anwaltskanzlei, so ist zunächst Ruhe zu bewahren. Es ist zu prüfen, ob eine eindeutige Markenrechtsverletzung vorliegt. Ist dies der Fall, ist eine unverzügliche Korrektur zur Schadensbegrenzung unerlässlich. Ist dies nicht der Fall, sollte ein fachkundiger Rechtsanwalt hinzugezogen werden, der sich der Sache annimmt.
Werden Händler unberechtigt aufgrund einer vermeintlichen Markenrechtsverletzung abgemahnt, so hat das Landgericht Hamburg am 22.11.2016 (Az: 312 O 128/16) entschieden, dass der Beklagte Schadenersatz geltend machen kann.
Kontroverse Diskussionen um Markenrechtsverletzungen
Markenrechtsverletzungen auf Amazon und anderen Plattformen wurden in der Vergangenheit kontrovers diskutiert. So kennt das Markenrecht viele Facetten, die sich insbesondere Laien nur selten vollständig erschließen. Beispielsweise hat das Oberlandesgericht Düsseldorf entschieden, dass ein Gesellschafter nicht grundsätzlich für eine Markenrechtsverletzung haftbar gemacht werden kann. Diese Einschätzung folgte auch der BGH in einer vorherigen Grundsatzentscheidung: Werden gängige Verhaltenspflichten nicht verletzt, ist eine Haftung des Verantwortlichen (unabhängig von möglichen Ansprüchen gegen ein Unternehmen) ausgeschlossen.
Von Klagen und Abmahnungen aufgrund von Markenrechtsverletzungen sind jedoch nicht nur Händler betroffen. Auch Amazon selbst war bereits Ziel. Streitfrage war dabei unter anderem, inwieweit etwa Plattformen wie Amazon für Markenrechtsverletzungen haftbar gemacht werden können. Gleiches gilt für Suchergebnisse. Sucht ein Kunde gezielt nach einer Marke, so dürfen nach Auffassung des Landgerichts München keine Konkurrenzprodukte angezeigt werden. Ganz anders entschied hierzu jedoch das Landgericht Berlin, welches der Auffassung war, dass die Anzeige von Konkurrenzprodukten gängige Praxis ist und somit keine Verletzung des Markenschutzes darstellt.
Praktische Relevanz haben derartige Urteile nicht nur für Händler, die auf Amazon aktiv sind. Auch die Betreiber von kleinen Onlineshops oder Plattformen sollten die rechtlichen Entwicklungen sorgfältig beobachten. So lange zu derartigen Sachverhalten noch keine Grundsatzentscheidung des BGH getroffen wurde, handelt es sich um Einzelfallentscheidungen. Im schlimmsten Fall ist also mit langwierigen Rechtsstreitigkeiten zu rechnen, die mit harten Bandagen geführt werden.
An dieser Stelle sei also erneut darauf verwiesen, dass in solchen Fällen die Inanspruchnahme eines erfahrenen Rechtsanwaltes für Patent- und Markenrecht dringend angeraten ist. Kleineren Händlern, die auch nach sorgfältiger Prüfung kein eigenes Fehlverhalten erkennen können, ist zu raten, sich nicht einschüchtern zu lassen. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein großes Unternehmen mit unlauteren Methoden versucht, Marktanteile oder Umsatzanteile zurückzugewinnen. An dieser Stelle sei auch erneut auf die Schadenersatzpflicht eines Klägers hinzuweisen, der unberechtigt eine Abmahnung ausgesprochen hat (s.o.).
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