Ein Empfänger von Bauleistungen muss die Umsatzsteuer abführen, wenn dieser selbst Bauleistungen erbringt und er mit ihnen mindestens 10 Prozent seines weltweiten Gesamtumsatzes im vorherigen Kalenderjahr erzielt. Liegt der Umsatz mit Bauleistungen darunter, muss hingegen grundsätzlich der Erbringer die Umsatzsteuer ans Finanzamt abführen. Die Rückwärtsrolle bei der auch als Reverse-Charge-Verfahren bekannten Umkehrung der Steuerschuld bringt jedoch auch eine Neuerung in Form einer Bescheinigung nachhaltiger Bautätigkeit. Die Situation lässt sich dabei auf Gebäudereinigungsleistungen übertragen, da sie das Umsatzsteuergesetz in gleicher Weise der umgekehrten Steuerschuld unterstellt.
Maßnahme gegen Umsatzsteuerbetrug
Die auf Initiative der EU 2004 eingeführte Regelung soll beim Kampf gegen Umsatzsteuerbetrug helfen. Bei der „klassischen“ Umsatzsteuerabführung durch den Leistungserbringer fällt die Einheit zwischen Umsatzsteuerabführendem und Vorsteuererhaltendem auseinander. Die Kontrolle, ob einer Vorsteuererstattung auch eine entsprechende Umsatzsteuer gegenübersteht, wäre wesentlich schwieriger. Führt dagegen der Empfänger die Umsatzsteuer ab, zahlt die gleiche Person die Umsatzsteuer und erhält die Vorsteuer. Vorteil für Unternehmer ist dabei zudem, dass er die normalerweise an den Erbringer zu zahlende Umsatzsteuer bis zur Vorsteuererstattung nicht vorfinanzieren muss. Um Missverständnisse zu verhindern, muss der Erbringer dem Empfänger für die Leistung allerdings eine Nettorechnung ausstellen.
Bundesfinanzhof kippte 10-Prozent-Regel
Im August 2013 war die 10-Prozent-Regel unter die Räder des Bundesfinanzhofs (BFH) geraten. Anlass war die Frage, ob auch Bauträger vom Reverse-Charge-Verfahren betroffen sind, was der BFH verneinte. Dabei ging das Gericht auch allgemein auf die Verwaltungspraxis mit der 10-Prozent-Regelung ein und lehnte diese ab. Wer Bauleistungen erbringe, könne nicht erkennen, welche Umsätze der Leistungsempfänger erzielt. Dementsprechend bliebe die Frage, wer Steuerschuldner sei, unklar. Somit fehle es ihr an Rechtssicherheit. Mit der Veröffentlichung des Urteils (Az.: V R 37/10) im Februar 2014 wurde die Finanzverwaltung auf eine aufwendige Einzelfallprüfung zurückgeworfen. Die Finanzämter mussten, wie es der BFH nun verlangte, ab 15. Februar feststellen, dass der Empfänger Bauleistungen seinerseits zu Bauleistungen verwendet. Erst dann war die Grundlage für eine Umkehr der Steuerschuld gegeben. Für die Finanzbehörden bedeutete das jedoch einen wesentlich höheren Aufwand als zuvor. Der Gesetzgeber war gefordert.
Nachhaltige Erbringung kehrt Steuerschuld um
Mit dem Kroatienanpassungsgesetz – hinter dessen Namen man eher andere Inhalte vermutet – brachte diesmal der Gesetzgeber die 10-Prozent-Regel zurück. Sie gilt für alle ab dem 1. Oktober 2014 erbrachten Leistungen. Aufhänger dafür ist die nunmehr klargestellte nachhaltige Erbringung von Bauleistungen durch den Leistungsempfänger. Ob die empfangenen Leistungen selbst zu Bauleistungen verwendet werden, spielt hingegen keine Rolle mehr.
Umkehr auch bei Bauleistungen im Privatbereich
Auf die Verwendung für den unternehmerischen Bereich kommt es hingegen nicht an. Das bedeutet, dass beispielsweise auch Reparaturen am Privathaus oder einer vermieteten Immobilie eines nachhaltig Bauleistungen erbringenden Leistungsempfängers zur Umkehr der Steuerschuld führen, dieser also entsprechend die Umsatzsteuer abführen muss.
Bescheinigung nachhaltiger Bautätigkeit
Neu ist, dass Empfänger von Bauleistungen sich ihre nachhaltige Bautätigkeit nun vom Finanzamt bescheinigen lassen können. Die Bescheinigung muss einem Leistungserbringer nicht zwingend vorgelegt werden, damit es zur Umkehr der Steuerschuld kommt. Sie dient vielmehr als Nachweis einer nachhaltigen Tätigkeit und führt auch bei fehlerhafter Annahme zu einer Umkehr. Dabei ist die Bescheinigung allerdings nicht mit der bisherigen Freistellungsbescheinigung zu verwechseln.
Zum Erhalt der Bescheinigung müssen Unternehmer schlüssig vorbringen, dass sie nachhaltig Bauleistungen erbringen. Ihr Erhalt ist nicht an Nachweise entsprechender Umsätze in der Vergangenheit geknüpft. So können sie auch Existenzgründer erhalten, sofern sie bereits konkrete Schritte zum Aufbau des Betriebs vorweisen können. Die Bescheinigung gilt längstens drei Jahre, kann also auch kürzer erteilt werden. Ihre Rücknahme bzw. ihr Widerruf für die Vergangenheit ist jedoch nicht möglich.
Christian Günther
Assessor
Redakteurin – Juristische Redaktion
anwalt.de services AG
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