Eingekaufte Waren sollten, so lehren es der gesunde buchhalterische Sachverstand und der Vollständigkeitsgrundsatz aus §246 Abs. 1 Satz 1 HGB, aktiviert und erst bei Entnahme, also bei Verkauf, als Kosten erfaßt werden. Ein Wareneinsatz entsteht mit Entnahme, nicht mit Kauf der Ware. Doch was selbstverständlich zu sein scheint, ist leider nicht immer gängige Praxis. Selbst manche Kontenpläne im Handel bilden den Wareneinkauf unter den Aufwendungen ab. Wir untersuchen eine typische Praktikerlösung:
Historische Wurzeln
Dabei hat diese durch und durch falsche Methode durchaus ihre historische Berechtigung, denn wird der Einkauf sogleich als Aufwand erfaßt, muß zwar am Periodenende nach der Inventur der bilanzielle Bestand aufwandsmindernd gegengebucht werden, doch das spart die Entnahmebuchung für jeden Einzelfall – also bisweilen Tausende von Buchungssätzen. Zu Zeiten der manuellen Buchführungsmethoden ein starkes Argument, aber nicht mehr in den Tagen der Scannerkassen und RFID-Tags. Solche überlebte Methoden sollten nunmehr tunlichst über Bord geworfen werden, denn sie bringen zahlreiche Nachteile:
Kein korrekter Warenbestand
So gibt es vor dem Abschlußstichtag, und vor der Korrekturbuchung aufgrund der Inventurdaten, keinen korrekten Warenbestand, denn alle Lagerzugänge wurden ja mit Aufwendungen verwechselt und alle Entnahmebuchungen fehlen. Der Lagerverwalter tappt also im Dunkeln, oder arbeitet doppelt. Das muß im Datenbank-Zeitalter nicht mehr sein.
Keine Lagerbuchführung
Also gibt es insgesamt keine ordentliche Lagerbuchführung, und die vielen materialwirtschaftlichen Auswertungen, wie Bestellmengenrechnungen, Sicherheitsabstände und dergleichen mehr, sind unmöglich. Das behindert die oberzielkonforme Lagerverwaltung und begünstigt böse Überraschungen mit fehlenden oder überlagerten Produkten.
Keine Erfassung des Schwundes
Aus demselben Grund ist der Schwund nur schwer korrekt zu erfassen. Ungeplante Lagerabgänge, die als neutrale Aufwendungen nicht in die Kostenrechnung gehören, sind nur schwer mit den Einkäufen abzugleichen und von den Einzelkosten zu trennen. Das behindert die Kostenrechnung, die somit falsche Selbstkosten liefert.
Keine Einzelkostenwerte
Überhaupt die Zuschlagsrechnung: die setzt voraus, daß die Einzelkosten erfaßt werden. Wird aber schon der Einkauf als Kostenart gebucht, so ist die Einzelkostenzahl immer falsch. Bei lange lagernden Artikeln kann die Entnahme sogar periodenungleich sein. Das macht eine ordnungsgemäße Vollkostenrechnung praktisch unmöglich.
Auch kein Deckungsbeitrag
Unter einem Deckungsbeitrag versteht man weiterhin die Differenz aus Verkaufserlös und variablen Kosten. Auch hierfür ist eine Einzelerfassung der Entnahmen (und nicht der Zugänge) erforderlich, denn die heute verkauften Waren sind nicht mit den heute eingekauften Produkten identisch. Ohne ordnungsgemäße Erfassung des Deckungsbeitrages kann der Händler aber keine kurzfristige Sortimentsplanung betreiben. Und tappt erneut im Dunkeln.
Auch keine Lagerbewertung
Schließlich ist auch keine korrekte Lagerbewertung möglich, denn diese erfordert ebenfalls Zahlen über Lagerzugänge (und nicht einfach nur Aufwandswerte). FIFO, LIFO und der Rest werden also durch eine falsche Buchungsmethode mindestens unterjährig unmöglich, oder verkommen zu reinen Schätzungen.
Endlich abschaffen!
Die sogenannte „aufwandsorientierte Buchungsmethode“ hatte in der vordigitalen Zeit durchaus ihre Berechtigung als Vereinfachung der manuellen Buchführung, sollte heutzutage aber schleunigst abgeschafft werden. Obwohl sie formal einen Rechtsverstoß gegen das Vollständigkeitsprinzip darstellt, könnte sie gewohnheitsrechtlich nach §238 Abs. 1 Satz 2 HGB zulässig sein. Das sollte einen Handelsbetrieb aber nicht daran hindern, auf eine sachlich richtige Erfassung der Warenbewegungen überzugehen, denn die technische Grundlage hierfür ist heutzutage stets vorhanden. Und die damit verbundenen sonstigen Vorteile insbesondere für das interne Rechnungswesen sind beträchtlich.
Quellen:
- gruenderlexikon.de
- Zingel, Harry, „Kosten- und Leistungsrechnung“, Weinheim 2008, ISBN 978-3-527-50388-9
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