Manche Leute wollen ihre Frau von der Steuer absetzen, weil sie Sonderausgaben produziert und eine außergewöhnliche Belastung darstellt. Weniger belastete Zeitgenossen haben sich kürzlich im Forum für Betriebswirtschaft gefragt, was eigentlich als „außerordentliche Aufwendungen“ bzw. als „außerordentlicher Erträge“ gebucht werden dürfe. Der BWL-Bote gibt eine prüfungsfeste Antwort und verspricht, die mutwilligen Witzeleien dabei gänzlich zu unterlassen.
„Unter den Posten »außerordentliche Erträge« und »außerordentliche Aufwendungen«“, so weiß § 277 Abs. 4 Satz 1 HGB, „sind Erträge und Aufwendungen auszuweisen, die außerhalb der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit der Kapitalgesellschaft anfallen“. Sie sind, so weiter, „im Anhang zu erläutern“. Der Bilanzierende muß also im Einzelfall prüfen, was zur „gewöhnlichen Geschäftstätigkeit“ gehört. So ist beispielsweise der Anlageverkauf eines Maschinenhändlers das Hauptgeschäft und als Umsatzerlös auszuweisen; die Vermietung kann Hauptgeschäft sein oder, wenn nicht benötigte Immobilien vermietet werden, ein Nebengeschäft, aber auch dann Teil des gewöhnlichen Geschäftes. Was aber nicht zum „gewöhnlichen Geschäft“ gehöre, ist bisweilen umstritten.
Altanlagenverkäufe von Nichtmaschinenhändlern, die gleichwohl Verluste oder Gewinne bedingen, gelten beispielsweise bisher als „außergewöhnlich“. Die Rückstellungsbildung infolge einer großen Produkthaftungsklage ist ein weiteres beliebtes Lehrbuchbeispiel, oder einfach der Verlust von Vermögensgegenständen durch Diebstahl oder Schadensereignisse. Sie, so die bisherige Lehrbuchmeinung, seien nach Art und Umfang „ungewöhnlich“ und daher als außerordentliche Aufwendungen auszuweisen. Geben die Kassiererinnen in einem Einkaufsmarkt den Kunden (versehentlich) zu wenig Geld raus, so entstehe, ebenfalls nach Lehrbuchmeinung, ein außerordentlicher Ertrag. Das aber wird zunehmend bezweifelt.
Alle diese Posten stehen nämlich gerade sehr wohl im Zusammenhang mit dem „gewöhnlichen“ Geschäft, denn Kassendifferenzen sind eben nicht außerordentlich, sondern ein tägliches Phänomen. Auch Diebstahl und Betrug sind, leider, ein Alltagsphänomen – und selbst Produkthaftungsklagen sind es, in den USA sicher (noch?) mehr als hier. Sie dürften daher allesamt eigentlich nicht mehr als außerordentliche Posten verbucht werden.
Das ist, so entdecken wir also, ein weiterer Punkt, wo das Handelsrecht veraltet ist. Die International Financial Reporting Standards (IFRS) sind in diesem Punkt schon weiter – vielleicht aber auch etwas über das Ziel hinausgeschossen: dort dürfen nämlich seit 2004 überhaupt keine außerordentlichen Posten mehr ausgewiesen werden. Gar nichts. Kann man noch verstehen, daß „Schwund“ und Schadensfälle eben nicht außergewöhnlich sind, dürfen im IAS-Abschluß aber selbst Naturkatastrophen nicht mehr als „außerordentliche“ Ereignisse eingestellt werden: das hat freilich seinen ganz eigenen Charme, denn der derzeitige harte Winter mit seinen Schadensfällen durch unter der Schneelast einstürzende Dächer ist eben nicht nur ein Beweis gegen die Staatslehre vom „Treibhauseffekt“, sondern auch gerade deshalb nichts „Außergewöhnliches“. Es wären beispielsweise nur außerplanmäßige Abschreibungen zu buchen – oder, etwa bei Bestellbetrug, eine Forderungsberichtigung. Beides aber gehört zum gewöhnlichen Geschäft.
Ob sich das Handelsrecht noch reformieren läßt, bevor die internationale Rechnungslegung auch bei uns zum alleinigen Regelwerk wird, bleibt abzuwarten. Jedenfalls haben die IFRSs einen Nachdenkprozeß in Gang gesetzt, schon vor ihrer allgemeinen Geltung.
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