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Was ist eigentlich eine Bilanz?
Der Begriff Bilanz entstammt dem lateinischen Wort „bilancia“, welches in der deutschen Sprache mit Waage übersetzt wird. Dementsprechend ist auch die Bedeutung einer Bilanz einfach erklärt: Es handelt sich um die ausgleichende Gegenüberstellung von Werten. Am häufigsten ist die Bilanz in einem wirtschaftlichen Kontext zu sehen. In Bezug auf Unternehmen wird oft von Handelsbilanzen, Jahresbilanzen oder Abschlussbilanzen gesprochen. Andere gebräuchliche Beispiele sind Energiebilanzen, Zahlungsbilanzen oder Wissensbilanzen. In diesem Artikel wird der Begriff vordergründig aus einer unternehmerischen Perspektive betrachtet, da die Bilanzierung ein zentraler Bestandteil des Unternehmensalltages ist.
Die Erstellung einer Bilanz, die den Prinzipien der Bilanzwahrheit und Bilanzklarheit gerecht wird, erfordert eine ordnungsgemäße Buchführung. Die Grundsätze einer ordnungsgemäßen Buchführung sind im HGB geregelt.
Gut zu wissen: Die erste deutsche Unternehmensbilanz wurde im Jahr 1511 vom Buchhalter der Familie Fugger erstellt. Anlass war eine Erbteilung auf Grund des Todes der Brüder Georg und Ulrich Fugger.
Wieso erstellen Unternehmen überhaupt eine Bilanz?
Ab einem bestimmten Umsatz, Gewinn oder der Überschreitung einer durchschnittlichen Mitarbeiterzahl, sind Unternehmen gesetzlich verpflichtet eine Bilanz zu erstellen und auch zu veröffentlichen. Unternehmen, deren Sitz in der Bundesrepublik Deutschland ist, unterliegen den Regelungen des Handelsgesetzbuches (HGB). Grundsätzlich erfüllt eine Bilanz drei Funktionen:
Bilanzfunktion | Beschreibung |
Dokumentationsfunktion | Abgesehen von sogenannten stillen Reserven informiert eine Bilanz verbindlich über das Vermögen und das Kapital eines Unternehmens. Die in einer Bilanz festgehaltenen Werte sind handels- und steuerrechtlich von großer Bedeutung. Formal schließt die Bilanz die Buchführung eines abgelaufenen Geschäftsjahres ab. |
Gewinnermittlungsfunktion | Im Rahmen einer Bilanz wird das zur Verfügung stehende Eigenkapital zu Beginn eines Geschäftsjahres und zu seinem Ende erfasst. Einlagen und Entnahmen werden einbezogen und erlauben schließlich die Feststellung, ob ein Unternehmen einen Gewinn oder Verlust erzielt hat. Die einem Gewinn oder Verlust zu Grunde liegenden Werte werden separat in einer Gewinn- und Verlustrechnung erfasst, die dem bilanziellen Eigenkapitalkonto vorgelagert ist. |
Informationsfunktion | Für Unternehmen dient die Bilanz zunächst zur Selbstinformation und kann als Steuerungselement der Geschäftstätigkeit verwendet werden. Weiterhin dient sie der Drittinformation. So können Stakeholder die veröffentlichte Bilanz analysieren und Geschäftsbeziehungen bewerten. Die Bilanz dient also teilweise dem Gläubigerschutz. |
Was sind Aktiva und was sind Passiva im Rahmen einer Bilanz?
Bevor die Inhalte einer typischen Bilanz dargestellt werden, werden noch die zwei Bereiche vorgestellt, in die eine Bilanz aufgeteilt ist. Links sind die Aktiva aufgeführt, rechts die Passiva. Umgangssprachlich ist auch von Aktivseite und Passivseite die Rede. Nachfolgend werden beide Bereiche knapp erläutert (eine detaillierte Auflistung erfolgt nachfolgend mit der angekündigten Darstellung einer Bilanz):
- Aktiva: Die Aktivseite der Bilanz stellt die Mittelverwendung dar. Also welche Ansprüche ein Unternehmen mit den zur Verfügung stehenden Mitteln erwirtschaftet hat. Dazu gehören Bankguthaben, Produktionsmittel, Rohstoffe und andere Güter oder auch Forderungen gegen Unternehmen. Auch immaterielle Vermögensgegenstände werden hier aufgeführt. Vereinfacht gesagt wird also auf dieser Seite das Vermögen eines Unternehmens abgebildet.
- Passiva: Die Passivseite der Bilanz stellt die Mittelherkunft dar. Also aus welchen Quellen jene Geldmittel stammen, mit denen das Unternehmen wirtschaftete. Der Unterscheidung zwischen Eigen- und Fremdkapital wird dabei vordergründig Beachtung geschenkt. Eigenkapital unterliegt keinem Rückzahlungsanspruch Dritter, während Fremdkapital, das etwa durch Kredite aufgenommen wurde, zu gegebener Zeit zurückzuzahlen ist.
Die Summe aller aufgeführten Positionen, getrennt nach Aktiva und Passiva, muss immer gleich sein. Im Fachjargon ist von der Bilanzsumme die Rede. Bei etwaigen Abweichungen erfolgt ein Ausgleich über das Eigenkapital, sodass eine korrekte Bilanzsumme gewährleistet ist. Nach § 266 Abs. 2 und 3 HGB ist die Bilanzsumme bilanzrechtlich keine eigene Bilanzposition.
Wie ist nun eine Bilanz aufgebaut?
Die Inhalte einer Bilanz variieren je nach Unternehmensgröße und Rechtsform. Weiterhin bestehen spezielle Regelungen für Unternehmen die Finanzdienstleistungen anbieten. Nachfolgend ist die Bilanz einer Kapitalgesellschaft dargestellt. Um diese möglichst übersichtlich zu gestalten, werden Aktiva und Passiva nicht wie üblich nebeneinander aufgestellt, sondern nacheinander aufgeführt. Weiterhin wird auf eine Auflistung der weiteren Bestandteile die den römischen Ziffern folgen, verzichtet. Eine ausführliche Gliederung der Bilanz ist in § 266 HGB ersichtlich. Sie kann unter folgendem Link eingesehen werden: https://www.gesetze-im-internet.de/hgb/__266.html
AKTIVA
Unterteilung der Aktiva | Gliederung |
A. Anlagevermögen | I. Immaterielle Vermögensgegenstände II. Sachanlagen III. Finanzanlagen |
B. Umlaufvermögen | I. Vorräte II. Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände III. Wertpapiere IV. Kassenbestand, Bundesbankguthaben, Guthaben bei Kreditinstituten und Schecks |
C. Rechnungsabgrenzungsposten | |
D. Aktiv latente Steuern | |
E. Aktiver Unterschiedsbetrag aus der Vermögensverrechnung |
PASSIVA
Unterteilung der Passiva | Gliederung |
A. Eigenkapital | I. Gezeichnetes Kapital II. Kapitalrücklage III. Gewinnrücklagen IV. Gewinnvortrag/Verlustvortrag V. Jahresüberschuss/ Jahresfehlbetrag |
B. Rückstellungen | 1. Rückstellungen für Pensionen 2. Steuerrückstellungen 3. Sonstige Rückstellungen |
C. Verbindlichkeiten | 1. Anleihen (inkl. Anteil konvertibler Anleihen) 2. Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten 3. Erhaltene Anzahlungen 4. Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen 5. Verbindlichkeiten aus der Annahme gezogener Wechsel und ausgestellten eigenen Wechseln 6. Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen 7. Verbindlichkeiten gegenüber Unternehmen zu denen ein Beteiligungsverhältnis besteht 8. Sonstige Verbindlichkeiten (davon aus Steuern und der sozialen Sicherheit) |
D. Rechnungsabgrenzungsposten | |
E. Passiv latente Steuern |
Die zuvor vorgestellte Bilanz einer Kapitalgesellschaft entspricht den Anforderungen des deutschen HGB. Unternehmen, die international tätig sind, bilanzieren häufig zusätzlich auch nach weiteren nationalen und internationalen Standards. Stark verbreitet ist hier der „International Financial Reporting Standard (IFRS)“. Der Aufbau ist mit dem einer Bilanz nach HGB nicht zu vergleichen. Der Aufbau einer klassischen IFRS-Bilanz ist im International Accounting Standard 1 (IAS 1) in den §§ 51-77 geregelt. Unternehmen können bei der Bilanzgliederung zwischen zwei Möglichkeiten wählen: Auf der einen Seite die Gliederung nach Fristigkeit und auf der anderen Seite nach „assets and liabilities“.
Was für andere Bilanzen gibt es noch?
Neben der klassischen Bilanz als Jahresabschluss existieren noch weitere Unternehmensbilanzen. So sind etwa Sonderbilanzen zu erstellen, wenn es zu Fusionen oder Liquidationen kommt. Börsennotierte Unternehmen müssen Zwischenbilanzen erstellen. Bilanzierungspflichtige Unternehmen sind außerdem zur Erstellung einer Steuerbilanz verpflichtet. Anders als die Handelsbilanz wird diese zur Ertragsbesteuerung im Rahmen der Einkommens-, Gewerbe- und Körperschaftssteuer hinzugezogen.
Was ist Bilanzpolitik?
Die grundlegenden Bestandteile und Funktionen einer Bilanz wurden zuvor thematisiert. Dennoch sind Bilanzen nicht uneingeschränkt vergleichbar und können durch Unternehmen in gewissem Maße beeinflusst werden. Diese Beeinflussung ist keineswegs illegal, sondern integraler Bestandteil des Konzernrechnungswesens. Der Fachbegriff für die bewusste Beeinflussung der Bilanz nennt sich Bilanzpolitik.
Unternehmen können diverse Wahlrechte anwenden. Die Nutzung von Ausweis-, Gliederungs- und Erläuterungswahlrechten wird der formellen Bilanzpolitik, die Nutzung von Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechten sowie Sachverhaltsgestaltungen der materiellen Bilanzpolitik zugeordnet. Kenntnisse über die Bilanzpolitik eines Unternehmens sind also für eine verlässliche Bilanzanalyse von Bedeutung. Die Möglichkeiten der Bilanzpolitik sind jedoch durch das bei der Bewertung von Vermögensgegenständen angewandte Vorsichtsprinzip beschränkt. Das Vorsichtsprinzip wird in Verbindung mit folgenden Bewertungsprinzipien, deren Bedeutungen in Kurzform beschrieben werden, angewendet:
Bewertungsprinzip | Bedeutung |
Anschaffungswertprinzip | Ein Vermögensgegenstand darf höchstens zu seinen Anschaffungs- oder Herstellungskosten in der Bilanz aufgeführt werden |
Niederstwertprinzip | Aktiva müssen nach jenem erlaubten Wertansatz, der niedriger ausfällt, bilanziert werden. |
Höchstwertprinzip | Im Unterschied zum Niederstwertprinzip müssen Passiva zum höchstmöglichen Wert bilanziert werden. |
Imparitätsprinzip | Gewinne dürfen erst ausgewiesen, wenn deren Realisierung erfolgt ist. Verluste jedoch bereits dann, wenn sie lediglich erwartet werden. |
Welche aktuellen Probleme treten immer häufiger in Verbindung mit einer Bilanz auf?
In der Vergangenheit war die Bedeutung immaterieller Vermögensgegenstände eher gering. Durch die unaufhaltsam voranschreitende Digitalisierung gewinnen sie jedoch wieder an Bedeutung und Unternehmen generieren mit ihnen einen messbaren Wettbewerbsvorteil. Dementsprechend ist die bilanzrechtliche Beurteilung immer wieder Thema von Diskussionen, denn gerade in jüngeren Unternehmen stellen diese immateriellen Vermögensgegenstände einen wesentlichen Bestandteil der Geschäftstätigkeit dar. Problematisch erscheint jedoch die Festlegung eines nachvollziehbaren Vorgehens bei der Bewertung, sodass der Wert immaterieller Vermögensgegenstände in der Bilanz nur vage beziffert werden kann. Die Formulierung einer angemessenen, unternehmensübergreifenden Struktur ist mittlerweile Gegenstand der Forschung.
Nach aktueller Rechtslage können Unternehmen in Eigenregie erstelltes Anlagevermögen in engen Grenzen bilanziell ansetzen. Jedoch ist auf der Passivaseite unter Eigenkapital eine Rücklage zu bilden, die als Ausschüttungssperre in Höhe des Wertes der immateriellen Vermögensgegenstände dient. Sind immaterielle Vermögensgegenstände für den Verkauf vorgesehen, so sind sie als Umlaufvermögen anzusetzen und mit Herstellungskosten zu bewerten. Es ist zu erwarten, dass die entsprechenden Regelungen in den kommenden Jahren umfangreich angepasst werden, um die bilanzielle Würdigung digitaler Assets zu ermöglichen.
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