Immer wieder sorgen die Anschaffungskosten nach § 255 HGB auch in scheinbar einfachen Aufgabengestaltungen für Überraschungen. Dabei ist der zugrundeliegende Gesetzestext eigentlich denkbar eindeutig – möchte man meinen.
So ist es zwar wichtig, den Gesetzeswortlaut zu kennen, aber zu dessen Interpretation sind Beispiele oft hilfreich. Dazu hier eine Erläuterung der Grundlagen anhand von Beispielen:
Gesetzeswortlaut aus § 255 HGB Anschaffungs- und Herstellungskosten | Beispiel zur Anwendung |
(1) Anschaffungskosten sind die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können. | Der Wert des eigentlichen Vermögensgegenstandes, z.B. der Kaufpreis. Bei umsatzsteuerpflichtigen Unternehmern (Freiberufler und Gewerbetreibende, § 14 BGB, § 2 UStG) ist der Nettowert anzusetzen (Regelfall), bei Kleinunternehmern im Sinne des § 19 Abs. 1 UStG, die nicht vorsteuerabazugsberechtigt sind, der Bruttobetrag (Ausnahmefall). Ausnahmen ergeben sich auch bei Unternehmern, die keine Vorsteuererstattung bekommen, weil sie umsatzsteuefreie Leistungen i.S.d. § 4 UStG ausführen, z.B. Ärzte, Dozenten, Banken. Auch sie setzen den Bruttobetrag an. |
(2) Zu den Anschaffungskosten gehören auch die Anschaffungsnebenkosten sowie die nachträglichen Anschaffungskosten. | Nebenkosten sind Kosten für Gegenstände, die erforderlich sind, den Vermögensgegenstand in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen. Beispiele: Fundamente, Umbauten, zusätzliche Anlagen (Abgasreinigung, Stromversorgung usw). Hierzu gehört auch die rechtliche Betriebsbereitschaft, z.B. die Betriebserlaubnis. Beispiele: Zulassung, technische Zertifizierung, Sicherheitsprüfungen (soweit erforderlich und/oder vorgeschrieben). Bei Grundstücken: Notar und Grunderwerbsteuer, nicht aber Grundsteuer¹. |
(3) Anschaffungspreis-minderungen sind abzusetzen. | Skonti sind nachträgliche Preisnachlässe. Sie sind abzusetzen. Daraus folgt, daß Skontierungen niemals Erträge sind (ein beliebter Fehler!), sondern auf dem Konto des eigentlichen Objektes wertmindernd erfaßt werden müssen. Rabatte sind Sofortnachlässe. Sie werden gar nicht erfasst, sondern nur geminderte Wert wird anfänglich eingebucht. Weitere Tatbestände für nachträgliche Minderungen sind nachträgliche Preisminderungen wegen Mängelrügen oder (teilweise) Stornierungen wegen Rücksendungen oder Rückgaben von Teilen der Kaufsache. Auch sie sind daher jeweils als anschaffungskostenmindernd zu buchen. |
¹Die Grunderwerbssteuer ist bei Kauf des Grundstückes zu entrichten, hängt also mit der „rechtlichen Nutzbarkeit“ des Grundstücks zusammen, während die Grundsteuer regelmäßig zu zahlen und daher erfolgswirksam zu buchen und nicht zu aktivieren ist.
Gar nicht zu den Anschaffungskosten gehören passivierungspflichtige Sachverhalte, z.B. die Grundschuld, die zusammen mit einem Grundstück übernommen wird: die Grundschuld ist eine Verbindlichkeit und also zu passivieren. Dies gilt auch, wenn der Schuldner wechselt weil z.B. ein Grundstückskäufer in das Schuldverhältnis des Voreigentümers eintritt. Die Anschaffungskostenregelung befaßt sich aber nur mit der Aktivierung von Gegenständen, und nicht mit deren Passivierung.
Problematisch ist auch die Sprachregelung: obwohl das Gesetz von „Kosten“ und „Aufwendungen“ spricht, haben wir es damit gerade nicht zu tun. Der Anschaffungskosten-Betrag ist eine Kapitalbindung, also ein Vermögensteil. Er hat mit der Kosten- und/oder Aufwandsrechnung zunächst nichts zu tun.
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